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Ein Anime wie ein LSD-Trip und ein Geheimtipp für alle Freunde außergewöhnlicher Film-Ideen: Man stelle sich vor, dass menschliche Gefühle wir Liebe, Hass, Missgunst, Eifersucht und Schmerz nicht nur in den Köpfen der Menschen existieren, sondern sich in einer surrealen Parallelwelt in Form von kriegerischen Cyber-Amazonen wüste Schlachten liefern. Klingt verrückt!? Ganz genau!
Alles beginnt ganz harmlos: Die junge Mato lernt am ersten Tag auf der weiterführenden Schule ein Mädchen kennen, das sie unmittelbar in ihren Bann zieht. Die geheimnisvolle Fremde heißt Yomi, hat wunderschön gelockte Haare und ihr Nachname Takahashi erinnert Mato an ein Kinderbuch, das für sie eine große Bedeutung hat. Yomi mag die naive und leicht zu begeisternde Mato ebenfalls, auch wenn sie vom Typ her das genaue Gegenteil von ihr ist. Sie ist schüchtern, zurückhaltend und verschlossen, während Mato laut, aufbrausend und chaotisch ist. Als Zuschauer und Kenner des Shojo-Genres erwartet man nun den Beginn einer innigen Mädchenfreundschaft, die vielleicht sogar einige erotische Aspekte mit sich bringt – doch weit gefehlt!
Als Mato ihre neue Freundin erstmals Zuhause besucht, geschieht etwas Seltsames. Denn just als die Mädchen sich prächtig amüsieren und ihre Handy-Nummern tauschen, klingelt es und Yomis beste Freundin Kagari erscheint auf der Bildfläche. Kagari ist hübsch, aber bleich, an den Rollstuhl gefesselt und offensichtlich sehr verbittert. Recht deutlich gibt sie Mato zu verstehen, dass sie unerwünscht ist und dass Yomi nur eine Freundin haben kann und das ist sie. Mato macht diese Ablehnung schwer zu schaffen, denn mit ihrem kindlichen Gemüt und ihrer freundlichen Art hat sie so etwas wie Hass noch nie erfahren. Niedergeschlagen berichtet sie ihrer Vertrauenslehrerin Saya von dem Vorfall, die sie beruhigt und sie aufklärt, dass der Kummer und der Schmerz, den sie gerade empfindet, sie nicht wirklich belasten kann, da „jemand anderes“ ihren Schmerz für sie erträgt. Doch wer ist dieser jemand?
Um diese Frage eindrucksvoll zu beantworten wird der Zuschauer unmittelbar aus dem Schulmädchen-Setting herausgerissen und in eine psychedelische Parallelwelt katapultiert. Die düsteren Welten aus „Hellraiser“ oder den Games „Catherine“ und „Dante’s Inferno“ fallen spontan als visueller Vergleich ein. In dieser rauen und unwirtlichen Umgebung sind die Mädchen ebenfalls präsent, wenn auch in anderer Gestalt und mit anderen Namen. Mato ist in dieser Fremde Black Rock Shooter, eine schwer bewaffnete Cybergoth-Lolita, die als „Unschuld“ gegen den „Hass“ von Kagari ankämpft, die hier unter dem Namen Chariot agiert. Mit einem spinnenartigen Streitwagen attackiert sie Black Rock Shooter immer wieder aufs Neue, wobei in der martialischen Schlacht auch Gegenstände eingesetzt werden, die bei der realen Begegnung der beiden Kontrahentinnen eine Rolle spielten. In spektakulären und selten aufwändiger inszenierten CGI-Kampfsequenzen liefern sich die beiden Gefühlsavatare ein Duell auf Leben und Tod – doch wie wird sich das Geschehen in der Parallelwelt auf die Realität auswirken? Und was geschieht, wenn Mato noch andere Gefühle außer Kummer und Schmerz empfindet und dadurch weitere Avatare kreiert?
„Black Rock Shooter“ ist ein intensives visuelles Erlebnis, ein Anime, der den Betrachter in eine fremde Welt entführt und ihn mit Bildern konfrontiert, die rasant, ungewöhnlich und beeindruckend zugleich sind. Wer Zack Snyders „Sucker Punch“ gesehen hat, der kann in etwa erahnen, was ihn in „Black Rock Shooter“ erwartet. Filmfans, die sich für Geschichten begeistern, die Rätsel aufgeben und dem Betrachter eigene Interpretationen abverlangen, sei „Black Rock Shooter“ wärmstens ans Herz gelegt. MM
Produktionsjahr: Japan 2012, Genre: Drama/Mystery/Action, Studio: Ordet, Episoden: 8 (a 22 Minuten), Anbieter: Nipponart, FSK: 16, Manga: Nicht in Deutschland erschienen
Die Ursprünge von Black Rock Shooter
„Black Rock Shooter“ ist auf recht ungewöhnliche Weise entstanden. Am Anfand stand nämlich nicht, wie bei vielen anderen Produktionen üblich, ein Manga, sondern lediglich eine Zeichnung der titelgebenden Figur. Diese stammt aus der Feder des Charakter-Zeichners Ryohei „Huke” Fuke, der bereits für Games wie „Halo“ und „Gears of War“ Illustrationen beitrug. Hukes Zeichnung des „Black Rock Shooter“-Girls inspirierte zunächst die Vocaloid-Band Supercell, die daraus kurzerhand einen gleichnamigen Videoclip schuf, der auf der populären japanischen Niconico-Website (eine Art YouTube-Plattform) für große Begeisterung sorgte.
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Auf das Musikvideo wurde schließlich der japanische Regisseur Yutaka Yamamoto aufmerksam, der kurz zuvor das Animationsstudio Ordet ins Leben gerufen hatte und mit diesem große Ziele verfolgte. Da kam ihm die ungewöhnliche Illustration der Cyber-Goth-Lolita mit dem kalten Feuer in den Augen gerade recht. Unter der Regie von Shinobu Yoshioka und nach einer Story von Autor Nataru Tanigawa entstand 2010 schließlich eine 50-minütige OVA des Themas, in der die Idee der beiden Parallelwelten erstmals, wenn auch nur oberflächlich, aufgegriffen wurde. Der Film erschien noch im gleichen Jahr und in sieben Sprachen untertitelt (auch in Deutsch!) auf Blu-ray und als Special-Edition mit Drehbuch, Artbook und den beiden Figuren Black Rock Shooter und Dead Master. Seither ist das Feuer entfacht und „Black Rock Shooter“ nimmt die Welt im Sturm.
Im Anschluss an den OVA-Film erschienen in Japan drei Videogames – ein Browser-Game, eines für Apples iOS und eines für Sonys PSP – drei Mangas, darunter „Black Rock-chan“, ein Spin-Off mit Chibi-Charakteren und schließlich die vorliegende 8-teilige OVA, die ebenfalls vom Studio Ordet produzierte wurde.
Die TV-Serie versteht sich übrigens nicht als Fortsetzung der OVA, obgleich diese mit einem Cliffhanger endet, sondern als detaillierte und umfassendere Neuverfilmung, die all jene Fragen aufgreift, die in der doch recht kurzen OVA unbeantwortet blieben. Doch das letzte Kapitel zum Thema „Black Rock Shooter“ ist noch lange nicht geschrieben, wir sind uns sicher, dass da noch einiges auf uns zukommt. MM